19. Jahrhundert

Die bis 1914 auf mehr als 200 Betriebe angewachsene Industrie und die auf 33.000 Bewohner und Bewohnerinnen gestiegene Einwohnerzahl haben ebenso wie die moderne Infrastruktur nicht nur das Wirtschaftsleben und die gesellschaftliche Struktur Herfords radikal verändert, sondern auch das Gesicht und die räumlichen Konturen der Stadt. Fabrikgebäude mit ihren Schornsteinen traten neben die alten Kirchtürme. Gleisanlagen, neue Straßen, Kanalisation und Trinkwasserversorgung, Energieversorgungsbauten, Markthalle und Schlachthof, Schulen und Krankenhäuser sowie neue Verwaltungsgebäude veränderten ebenfalls das Erscheinungsbild der Stadt.

Moderne mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser verdrängten vielfach die alten Fachwerkbauten innerhalb des alten Befestigungsringes. Seine Verteidigungsfunktion hatte dieser durch die Schleifung der Stadtmauern sowie den Ausbau zur Wallpromenade und zum Villenstandort längst verloren. Aber innerhalb seiner Grenzen, den Grenzen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, wohnten bis 1850 die meisten Einwohner und Einwohnerinnen. Um 1900 dagegen lebte bereits mehr als die Hälfte der Herforder Bevölkerung in den Feldmarken, also außerhalb der mittelalterlichen Innenstadt. Dort, in dem ehemals dünn besiedelten, landwirtschaftlich genutzten Stadtgebiet, standen bereits um 1890 mehr Gebäude als in der Innenstadt. In der Radewiger Feldmark wurde der Bahnhof errichtet. Neu gegründete Industrieunternehmen siedelten sich um 1900 gleich in der Nähe der Eisenbahnlinie an; expandierende Firmen wanderten aus der Innenstadt dorthin ab. Aber erst im 20. Jahrhundert, genauer in den 1920er und 1930er Jahren, wurden in den Feldmarken systematisch größere Siedlungen angelegt, um die mit dem Bevölkerungsanstieg entstandene langanhaltende Wohnungsnot zu beheben.