16. bis 18. Jahrhundert

Herford vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Industrialisierung

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648), der verheerende Brand von 1638 sowie der Kampf gegen die Eingliederung in den brandenburgisch-preußischen Staat und um den Erhalt der Reichsunmittelbarkeit hatten die Stadt viel Kraft und Geld gekostet. Schulden in Höhe von etwa 150.000 Talern lasteten Mitte des 17. Jahrhunderts auf der Stadt. Auch die Geschäfte vieler Kaufleute und Handwerker hatten durch den Krieg gelitten. Die Wirtschaftsmacht der Stadt und ihrer Bürger war im Vergleich zum 16. Jahrhundert erheblich gesunken.

Herford war durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm 1652 als ravensbergische Landstadt dem kurbrandenburgisch-preußischen Staat einverleibt worden. Die ehemalige Reichsstadt wurde in die hierarchischen Behördenstrukturen des preußischen Staates eingegliedert. Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, machte Herford 1713 zur ständigen Garnison. 1719 wurde die staatliche Akzise eingeführt, die dem Staat große Anteile am städtischen Steueraufkommen sicherte. Der Steuerrat für die Grafschaft Ravensberg, dem die Akziseverwaltung unterstand, erhielt seinen Sitz in Herford. Im Gerichtswesen wurde der städtische Einfluss durch den landesherrlichen Richter zurückgedrängt.

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Der Stadt fiel es schwer, ihre Schuldenlast abzutragen. Die Veränderung der europäischen Märkte und die Wirtschaftspolitik des Landesherren schmälerte die bisherige Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges. Einzelne Handelszweige wie der Leinenhandel konnten sich in Herford nicht länger behaupten. Der gleichzeitig stark wachsende Garnhandel schloss diese Lücke nicht. Auch die Konkurrenz des expandierenden Handwerks und Gewerbes auf dem Lande beeinträchtigte den wirtschaftlichen Erfolg der Herforder. Langfristig verhinderte diese Konkurrenz zusammen mit der Kapitalarmut, der fehlenden Investitionsbereitschaft und Risikofreudigkeit der Herforder Kaufmannschaft einen nennenswerten wirtschaftlichen Aufschwung in der Stadt. Dieser wäre wahrscheinlich auch durch den Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) wieder zunichte gemacht worden. Französische Truppen besetzten und plünderten Herford mehrfach. Dazu kamen noch die Belastungen durch preußische Truppen und deren Alliierte. Der Gesamtschaden wurde auf etwa 100.000 Taler geschätzt.

Herford blieb bis weit in das 19. Jahrhundert eine Kleinstadt. Sie unterschied sich allerdings von den Dörfern und anderen kleinen Städten des Kreises deutlich durch eine höhere Bevölkerungszahl und eine größere Vielfalt des gewerblichen Lebens. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Herford über 30 Berufszweige, darunter auch solche des gehobenen Bedarfes, die sonst im Kreis nicht vorkamen. Sie ernährten rund 310 Kaufleute und Handwerker mit ihren Familien und Lohnabhängigen. Viele von ihnen betrieben im Nebenerwerb ein wenig Landwirtschaft für den eigenen Bedarf. Hauptberufliche Landwirte gab es 1786 in der Innenstadt allerdings nur 15 und in den Feldmarken 54.

1810 gründete der Kaufmann Friedrich Wilhelm Schrewe eine Baumwollspinnerei in den Gebäuden des ehemaligen Reichsstiftes (1802 aufgelöst). Die meisten Gewerbezweige litten unter der zeitweiligen französischen Herrschaft (seit 1806, im Königreich Westfalen 1807 bis 1813). Die Spinnerei dagegen profitierte von der Wirtschaftsblockade („Kontinentalsperre“), die Napoleon gegen England und andere transatlantische Konkurrenz verhängt hatte. Das Schrewesche Unternehmen war der erste Vorbote der Mitte des Jahrhunderts einsetzenden Industrialisierung, die das Gesicht und Leben in der Stadt grundlegend änderte.