Reichsstadt|Landstadt

Von der Reichsstadt zur ravensbergischen Landstadt

Die Stadt Herford strebte im Laufe des Mittelalters ein hohes Maß an Selbstverwaltung an und erlangte dieses auch. Die Äbtissin entließ die Stadt faktisch aus dem Untertanenverhältnis, als sie 1256 mit dieser den Vertrag über die gemeinsame Verwaltung von Stift und Stadt (Kondominat) schloss. Später leitete die Stadt aus der engen Verzahnung mit dem Reichsstift ihr Recht auf Teilhabe an dessen Privilegien ab. Sie bezeichnete sich wie dieses als reichsfrei und verfolgte damit das Ziel, eventuelle Machtansprüche fremder Fürsten erst gar nicht aufkommen zu lassen oder ihnen die Stirn bieten zu können. Im 14. und 15. Jahrhundert war Herford in den Reichsmatrikeln (Verzeichnis zur Festlegung der militärischen und finanziellen Reichshilfen) erfasst und leistete dem Reich mehrfach Heeresdienste. Der Erzbischof von Köln verzichtete seit dem 14. Jahrhundert auf die Ausübung seiner stadtherrlichen Rechte in Herford. Die Herzöge von Jülich besaßen zwar seit 1382 die Reichsvogtei über die Stadt und seit 1472 die alten kölnischen Gerichtsrechte in Herford, konnten aber zunächst keinen großen Einfluss auf die Verhältnisse in Herford nehmen. Stadt und Stift regelten bis zur Reformation ihre Angelegenheiten weitestgehend einvernehmlich und ohne Eingriffe fremder Herrscher.

Als die Stadt sich in der Reformationszeit gegen den Willen der Äbtissin den Lehren Luthers anschloss, wurde das Kondominat in seinen Grundfesten erschüttert. Die Äbtissin, die um ihre Herrschaft über die Kirche fürchtete, wandte sich hilfesuchend an den Herzog von Jülich, der auch Graf von Ravensberg war. Sie trat dem landesherrlichen Nachbarn gegen das Schutz-Versprechen ihre weltlichen Rechte ab (Zessionsvertrag von 1547).

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Der Herzog, der bereits seit dem 14. Jahrhundert Rechtsansprüche in Herford gesammelt hatte, sah nun die Chance, seine Landeshoheit endlich auch auf die Stadt auszudehnen. Er trotzte der zunächst Widerstand leistenden Stadt in kleinen Schritten zwar nicht die formale, aber – viel bedeutsamer - die faktische Anerkennung seiner Landesherrschaft ab. Anders ausgedrückt: Herfords große Selbständigkeit endete bereits im 16. Jahrhundert. Daran konnte die Stadt auch durch die Erwirkung des Reichskammergerichtsurteil von 1631, das Herford als Reichsstadt anerkannte, nichts ändern. Dieses Urteil läutete lediglich ein 16-jähriges Intermezzo ein. Dem Kurfürsten von Brandenburg, der seit 1647 Anspruch auf Herford anmeldete und mit dem Westfälischen Frieden 1648 die Grafschaft Ravensberg zugesprochen bekam, hatte die Stadt nichts entgegenzusetzen. Herford wurde 1652 endgültig ravensbergische Landstadt. Obwohl die Vereinnahmung der Stadt durch den Brandenburger dem Reichskammergerichtsurteil von 1631 widersprach, ging das Reich nicht konsequent gegen den Kurfürsten vor, sondern ließ die Angelegenheit langfristig auf sich beruhen.

Der Zessionsvertrag von 1547 hatte einen Entwicklungsprozess beschleunigt, an dessen Ende die Stadt Herford den Status als Reichsstadt verlor und zur ravensbergischen Landstadt wurde. So wie Herford ging es vielen Städten, die sich im 16. und 17. Jahrhundert den Landesfürsten entgegenstellten, die ihre auf der Größe und Prosperität des Territoriums beruhende Herrschaft ausbauen wollten. In ihrem Kampf um Autonomie und gegen den territorialen Verstaatlichungsprozess erhielten die meisten Städte - so wie Herford - keine Unterstützung durch das Reich, das sich doch lieber auf die Seite der mächtigeren Landesfürsten stellte.