Stadt|Mittelalter

Die Stadt Herford im Mittelalter

Die Kaufleute- und Handwerkersiedlungen, die im Schatten des Königshofes und des Stiftes entstanden waren, entwickelten sich durch ihre verkehrsgünstige Lage sowie das an Odenhausen verliehene Markt-, Münz- und Zollrecht wirtschaftlich gut und wurden allmählich zur Stadt. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ist Herfords Teilnahme am Fernhandel und seine Mitgliedschaft in der Hanse nachweisbar. Politisch wird das städtische Gemeinwesen bereits um 1220 in einer Ratsherrenliste – der zweitältesten, die für Westfalen überliefert ist – sichtbar. Der Rat bestand aus neun Bürgern der Stadt und vier Bediensteten des Stiftes, die im Namen der Äbtissin – der Stadtherrin – mitregierten. 1377 besuchte Kaiser Karl IV. Herford.

Die 1255 und 1256 zwischen Stadt und Äbtissin geschlossenen Vereinbarungen zeigen die inzwischen erlangte wirtschaftliche und politische Stärke der Stadt. Äbtissin Ida verzichtete 1255 zugunsten der Stadt auf den Besitz der ca. 2.600 ha großen Feldflur (Feldmark), die sich wie ein Ring rund um die Stadt legte. Ein Jahr später übertrug sie der Stadt dauerhaft das Burggericht, wodurch der Rat fast alle Bereiche des Wirtschafts- und Alltagslebens selbständig regeln konnte. Die Stadt garantierte dem Stift im Gegenzug hierfür den militärischen Schutz. Sie erlangte hiermit nun auch auf dem Papier die Wehrhoheit, die sie durch den Anschluss an Landfriedensbündnisse wie den Ladberger Bund (1246) und den Rheinischen Bund (1255) faktisch bereits wahrnahm. Die Stadt war von einer etwa 3,5 km langen Stadtmauer mit vorgelagertem Wall und Graben sowie 14 Türmen und 6 Toren umgeben. Für den Erhalt der Befestigungsanlagen kam vertragsgemäß die Stadt auf.

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Durch Burggericht und Wehrhoheit hatte die Stadt ein großes Maß an Selbstverwaltung, das andere Städte, wenn überhaupt, nur gegen großen Widerstand und mit Waffengewalt von ihren Stadtherren erkämpfen konnten, erworben. Die Äbtissin hatte Rechte und Einnahmequellen, die ihr als Stadtherrin zustanden, aufgegeben und machte die Ratsherren in vielen Belangen zu gleichberechtigten Beratern. Beide Seiten verpflichteten sich zum Wohl von Stadt und Stift zu handeln und Unstimmigkeiten unter sich ohne fremde Mächte und Gerichte zu regeln. Diese vertraglich abgesicherte enge Verbindung schützte die Partner weitestgehend gegen äußere Übergriffe und war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg Herfords zur Reichsstadt. Die ungewöhnliche Rechtskonstruktion fand als „Kondominat“ Eingang in die moderne Geschichtsschreibung.