100 Jahre Rathaus - 2000 bis heute - Setzrisse, Sanierung, Konzern Stadt, Gedenkstätte

In den 2000er und 2010er Jahren zeigen sich am Rathaus Folgen des Sparkassen-Neubaus. Die energetische Sanierung des Haues wird fortgesetzt. Im Rathaus geht die Umstellung auf zahlreiche elektronische Verfahren weiter. Viele neue Kabel werden verlegt. 2004 wird das ehemalige Polizeigefängnis als Außenstelle des Stadtarchivs zur „Gedenkstätte Zellentrakt“. Das Großereignis am Rathaus ist der Internationale Hansetag 2013.

Ab 2000 werden Kassendaten nur noch elektronische archiviert. 2002 greift ein 'Denglisch'-Verbot. 2004 wird die Hausdruckerei modernisiert. Zudem wird im Nebenausgang eine Türschließung installiert. Ab 2004 diskutiert man über eine elektronische Zeiterfassung, die aber erst 2012 eingeführt wird. Zur Internetseite der Stadtverwaltung kommt auch ein Intranet, das 2006 überarbeitet wird. Ab 2007 gibt es statt des gedruckten Telefonverzeichnisses nur noch ein Verzeichnis im Intranet. Die Verwaltung diskutiert über barrierefreie Dokumente und Energiesparen im Büro sowie über Gesundheitsgefährdung durch Tonerstaub. 2007 wird ein Rauchverbot im Rathaus erlassen. Ziele für eine „Bürgerkommune“ werden formuliert. 2009 geht es um die Interkulturelle Kompetenz der Verwaltung. Im gleichen Jahr werden wieder einmal herrenlose Fahrräder im Rathauskeller entdeckt. 2010 beginnt der Verzicht auf internen Papierversand, 2011 werden Regelungen zur Nutzung von Social Networks während der Arbeitszeit erlassen.

Insgesamt verwandelt sich die Stadtverwaltung unter dem 2004 gewählten Bürgermeister Bruno Wollbrink (SPD) ab 2006 in einen „Konzern“. Die Kultureinrichtungen werden in der „Kultur Herford gGmbH“ zusammen geführt und unter das Dach der HVV ausgegliedert. Die Gebäudewirtschaft wird zusammen mit dem Betrieb „Abwasser im IAB“ aufgestellt, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Die Organisation des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) übernimmt die Stadtverkehrsgesellschaft. Der Betrieb „Wohn- und Wirtschafts-Service“ (WWS) wird in die HVV eingegliedert. Ziel ist ein „gesamthafter“ Stadtentwicklungsprozess. Im Rathaus wird das Dezernat Soziales um die Abteilung „Schule“ erweitert und so zum Dezernat „Bildung, Jugend und Soziales“. Die Sportabteilung wird zum Januar 2007 als Stabsbereich direkt dem Bürgermeister zugeordnet. 2008 geht das „Neue Kommunale Finanzmanagement“ (NKF) in Betrieb, und der Stadthaushalt wird auf das neuen Buchungssystem NKF umgestellt. Ab 2009 wurden aus „Haushaltsstellen“ „Produktsachkonten“, aus Einnahmen und Ausgaben wurden „Ertrag und Aufwand“. Die Aufstellung der Eröffnungsbilanz war eine Herausforderung für die Kämmerei. 2012/2013 wird die Konzernstruktur ein weiteres Mal verändert. Wichtige Aspekte sind der Einstieg in den eigenen Stromvertrieb ab Januar 2010 und die Rekommunalisierung der Stadtwerke selbst.

Baulich beginnt nach der Entdeckung erster größerer Setzrisse im Rathaus 2009 eine größere Sanierung. Im Gebäudeteil zur Abteistraße in Richtung Sparkasse bestehen größere Gefahren, die schnell behoben werden müssen. Um drei bis vier Millimeter war das Fundament dort abgesackt. Im 3. Stock führte das zu einem Überhang von rund fünf Zentimetern. Am 2. März 2010 wird den Rathausmitarbeitern mitgeteilt, dass die Gründungsarbeiten erfolgreich gestartet wurden. Doch es gebe „gewissen Nebenwirkungen“, wie Lärmbelästigung und erhebliche Engpässen auf dem „Bedienstetenparkplatz". Elf Stellplätze für Bedienstete und Dienstfahrzeuge werden nun für die Mulden, Werkzeugen, Versetzung der Feuerwehrzufahrt und Rangierfläche abgesperrt. Ein Teil der öffentlichen Parkfläche vor der Schranke wird für die Mitarbeiter abgesperrt.

Ende November 2010 teilt die Stadt den Abschluss der Rathaus-Sanierung mit. Sie blieb mit 1,5 Millionen Euro im vereinbarten Kosten- und Zeitrahmen. „Passend zum Herforder Weihnachtslicht erstrahlt das Herforder Rathaus in neuem Glanz. Den letzten Pinselstrich für das zwischen 1914 und 1917 entstandene Gebäude, das während der letzten neun Monate saniert worden war, nahmen Bürgermeister Bruno Wollbrink und Baudezernent Dr. Peter Böhm gemeinsam vor. Für rund 1,5 Millionen Euro wurden das Fundament des Westflügels abgestützt, der Rathausturm saniert, das Dach neu eingedeckt und die Fassade neu gestrichen.“

Begonnen hatte die Sanierung mit der Gründung unter dem Westflügel. 40 Presspfähle unter den Grundmauern verhindern nun, dass sich Rathaus weiter in Richtung Sparkasse neigen kann. Es folgten das Dach und der Turm (Dachreiter). Mit 151.000 „Biberschwänzen“ (gerundete Dachziegel) wurden sie neu eingedeckt. Mit sechs Tonnen Farbe wurden die 5.700 Quadratmeter Fassadenfläche gestrichen. Bezahlt wurde diese Sanierung aus dem bundesweiten Konjunkturpaket II. Bedingung war auch die energetische Dämmung des Dachgeschosses. Sie senkt den Energieverbrauch nun um 20 Prozent. Weitere Einsparungen sollte die Fenstersanierung bringen, die erst 2016 abgeschlossen sein wird. Der 47 Meter hohe und bis dahin gesperrte Rathausturm wurde mit rund 250 Quadratmeter Zinkblech verblendet. Seitdem spielen an jedem ersten Samstag des Monats um 11.30 Uhr Bläserchöre für die Marktbesucher vom Turm.

Lange hegte das Kuratorium „Erinnern Forschen Gedenken“ den Wunsch, städtische Räume als dauerhafte Gedenkstätte an die NS-Zeit zu nutzen. Im Blick war lange Jahre die Kleine Markthalle als Abtransport-Ort in die Vernichtungsmaschinerie der Nazis. 2002 diskutierte der Verwaltungsvorstand diese Lösung. Nach der Sanierung wurde eine Doppelnutzung als Markt- und Veranstaltungshalle vereinbart. Deswegen wurde sie nicht zur Gedenkstätte. Im Oktober 2004 wurde dann ein Teil des Zellentraktes im Rathaus dem Stadtarchiv übergeben. Seitdem wird sie als „Gedenkstätte Zellentrakt“ gemeinsam vom Stadtarchiv und dem Kuratorium „Erinnern Forschen Gedenken“ betrieben. Seit der Einweihung 2005 werden regelmäßig selbst erarbeitete oder übernommene Ausstellungen gezeigt: Zwei Zellen dienen dem Gedenken an die Opfer des Naziregimes und der Darstellung der Haftbedingungen in der NS-Zeit. Bundesweit einmalig ist wohl, dass in einem Rathaus auch an die Beteiligung der Stadtverwaltung an den Gräueltaten erinnert wird. Mehr 2.000 Interessierte besuchen jährlich die Ausstellungen, darunter mehr als die Hälfte Schülerinnen und Schüler, die das Kuratorium ehrenamtlich betreut. Ergänzt wird die Gedenkstätte durch die Gedenkplatten an „Orte jüdischen Lebens“ und die „Stolpersteine“ in der Stadt sowie die Elsbach-Bibliothek im Elsbach-Haus.