100 Jahre Rathaus - Die 1980er und 1990er Jahre

Generalinstandsetzung des Rathauses, Stadtjubiläum und Archäologie

In Vorbereitung auf das Stadtjubiläum, 1989, beginnt in den 1980er Jahren die Instandsetzung des Rathauses. Bei archäologischen Grabungen auf dem Rathaus- und dem Münsterkirchplatz kommen unerwartete, erstaunliche Funde zutage. In der Stadtverwaltung gibt es Veränderungen, die auch mit dem politischen Klima der 1980er zusammenhängen.

Der Beigeordnete Dr. Max Willebrand wird ab 29. August 1980 allgemeiner Vertreter des Stadtdirektors. Ab 14. März 1980 arbeitet Günter Tebbe als Rechts und Ordnungsdezernent, ansonsten bleibt die Verwaltungsspitze unverändert. Organisatorisch wird am 1. April 1982 das Bauordnungsamt aus dem Baudezernat herausgelöst und dem Rechts- und Ordnungsamt zugeordnet. Aus dem Vermessungsamt wechseln die Geschäftsstellen des Umlegungs- und des Gutachterausschusses ins Rechts- und Ordnungsamt. Aus der Energie-AG wird eine Energiesparkommission. Ab 1. Oktober 1980 arbeiten Politiker und Verwalter darin. Und in den folgenden beiden Jahren erreichen sie erhebliche Energie- und Kosteneinsparungen.

Anfang 1981 ziehen Ordnungs- und das Einwohnermeldeamt aus dem Rathaus in das Gebäude des ehemaligen Schwesternwohnheims, Auf der Freiheit 23. Da die alte Einwohnermeldekartei dort nicht mehr untergebracht werden kann, werden 1980 die Altkartei und 1986 die noch laufenden Kartei verfilmt. (Beide kommen danach im Original ins Stadtarchiv). Mit zwei Mikrofilm-Lesegeräten können nun Fotokopie der Einträge erstellt werden. Ende Januar 1981 sind die Umzüge der beiden Ämter und zuletzt des Garten- und Friedhofsamts in das frühere Schwesternwohnhaus abgeschlossen.

In anderen Bereichen kommt neue Technik ebenfalls zum Einsatz: In beiden Rathäusern „wurde infolge neu entwickelter Technologien auf dem Kopiersektor“ je ein Fotokopiergerät installiert, das erstmals normales Schreibpapier verarbeiten kann. Nunmehr kann auch direkt auf Papierfolie als Druckvorlage für die Hausdruckerei kopiert werde. Das Diktiersystem der Stadt wird nach und nach von der Magnetton-Platte auf Grundig-Bandkassetten umgestellt. Ab 1. Januar 1983 übernimmt das Rechenzentrum Lemgo alle Buchungen der Stadtkasse.

Das 1979 erarbeitete Marketingkonzept für die Stadt zeigt Wirkung: Beim Hauptamt wird das „Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ eingerichtet. Auch überregional stellt sich Herford besser dar: Die Eisbahn, Im Kleinen Felde, wird eingeweiht. 1983 wird der Hansebund gegründet. Ein Herford-Wegweiser hilft bei der Orientierung. Faltblätter informieren über die Verwaltung, und Informationsvitrinen stehen am Gehrenberg und an der Bäckerstraße. Als zentrale Anlaufstelle für sämtliche Verwaltungsfragen öffnet 1981 die Bürgerberatung im Hauptportal des Rathauses.

Dazu gehört ein Telefonanschluss als „Kummerstrippe“ für die Bürger. Die Verwaltung umfasst nun 163 Beamte, 365 voll- oder teilzeitbeschäftigte Angestellte sowie 498 voll- oder teilzeitbeschäftigte Arbeiter.

In der Wirtschaftskrise der beginnenden 1980er Jahre bleibt die Wirtschaftsförderung eine große Aufgabe, denn die Zahl der Betriebe nimmt ab. Das Standesamt wird ab dem 12. Juni 1981 zum Amt für Personenstandswesen. Am 1. Februar 1983 wird ihm die Versicherungsabteilung aus dem Rechtsamt zugewiesen und gleichzeitig ins Schwesternwohnheim verlegt. Im Rathaus zieht die Gewerbesteuerabteilung aus dem Räumen 50 bis 52 in der ersten Etage in die Räume 100 bis 101 in der 2. Etage. Die Wohnungsstelle wechselt von den Räumen 53/54 in 51/52.

Am 22. Februar 1983 wird die HVV (Herforder Versorgungs- und Verkehrsbeteiligungsgesellschaft) gegründet. Damit beginnt eine Umstrukturierung und Privatisierung in der Verwaltung. Das anfängliche Stammkapital wird von 50.000 auf 1.450 Millionen Mark erhöht. Mit gleichem Datum wird der Eigenbetrieb Stadtwerke zur selbständigen Stadtwerke Herford GmbH und die Herforder Flüssiggas Vertriebs GmbH gegründet. 1985 beträgt das Stammkapital der HVV schon 12.279.810 Mark. Es enthält die Beteiligungen am EMR, der Stadtwerke GmbH, der Flüssiggas GmbH und der Westfälischen Ferngas AG.

Am 25. Juni 1983 gründet sich in Herford auf Initiative der Stadt der Westfälische Hansebund, auch für die Tourismus- und Wirtschaftsförderung. Arbeitskreise formieren am 10. Oktober 1983 auf einer Hansetagung in Herford.

Mit der Kommunalwahl am 30. September 1984 beginnt eine neue Ära im Stadtrat: Erstmals sind die Grünen mit über 9 Prozent in das Gremium gewählt worden. In den folgenden Jahren stoßen sie viele „Umwälzungen“ an. In der konstituierenden Sitzung des Rates, am 19. Oktober 1984, löst Bürgermeister Dr. Gerhard Klippstein (SPD) den langjährigen Bürgermeister Dr. Kurt Schober ab. Er wird mit Heinrich Tiekötter (SPD) Stellvertreter. Die Verwaltungsleitung bleibt zunächst unverändert.

Ein erster Erfolg der Grünen ist die Neubildung eines Umwelt-, Freiflächen- und Energieausschusses in der Nachfolge des bisherigen Landschaftsausschusses ab 27. November 1984. Gleichzeitig entsteht die neue Abteilung Umweltschutz beim Wirtschaftsförderungsamt. Der Ausschuss wird 1985 vereinfacht in Umweltschutzausschuss, das Umweltschutzreferat am 18. Juni 1986 in Umweltschutzamt umbenannt. Am 15. Februar 1985 beschlossen, nimmt ab 15. Oktober eine Gleichstellungstelle (als Stabstelle beim Stadtdirektor) die Aufgabe wahr, Frauen größeren Einfluss in der Verwaltung zu schaffen. Ab dem 24. Juni 1987 gibt es auch einen städtischen Behindertenbeauftragten. Zum 1. April 1987 vereinigt die Verwaltung wieder die Stadtentwicklung und die Wirtschaftsförderung mit dem Liegenschaftsamt.

Mitte der 1980er verändert sich die Verwaltung. Henning Kreibohm wechselt ab dem 30. Juni 1985 zum Kreis Herford, und erstmals gibt es eine Kämmerin: Ab 1. Oktober heißt sie Dr. Annette Fugmann-Heesing. Das Baudezernat übernimmt ab 1. November 1985 Béla Dören als Nachfolger von Hans Wilhelm Kähler. Am 15. März 1986 wechselt auch die Verwaltungsleitung von Dr. Gerd Oberscheven zum Stadtdirektor Ernst-Otto Althaus.

Bereits 1982 beginnen die Planungen zur Generalinstandsetzung des Rathauses einschließlich Ratskeller und Markthalle. Eine erste Kostenschätzung am 6. September 1982 beläuft sich auf 2.828 Millionen Mark. Bereits am 20. Oktober 1983 gibt es die ersten zeitlichen Kalkulationen. Geplant werden drei Bauabschnitte von je acht Monaten. Die Planungen wogen hin und her. Zahlreiche Prüfaufträge werden vergeben. Nach vielen Vergleichsangeboten wird die ehemalige Polizeiwache, Elverdisser Straße 12, als Ausweichquartier angemietet. 1986 geht die Verwaltung von zwei Bauabschnitten mit einem Gesamtvolumen von 3.750.000 Mark aus. Alternativen zur Renovierung bei laufendem Betrieb werden im Oktober 1986 geprüft. 1987 folgt eine umfangreiche Brandschau, die wieder viel Geplantes umwirft. Und der Denkmalschutz stellt seine eigenen Anforderungen.

1987 wechseln Steueramt, Liegenschaftsamt, Schul- und Kulturverwaltung in das Gebäude an der Elverdisser Straße. Im Rathaus beginnt der 1. Bauabschnitt. Anfang 1988, als der 2. Bauabschnitt beginnt, ziehen weitere Ämter innerhalb des Rathauses um, einige müssen ins Technische Rathaus verlegt werden. Mitten in der Bauphase stellen Bürger Anträge, um beispielsweise zu klären, wie das Sozialamt künftig erreichbar sein wird. Solche und andere Bürgeranträge verzögern Raumvergaben und Beschaffung. Schließlich werden die Bauarbeiten 1989 abgeschlossen, rechtzeitig zur Feier des 1.200-jährigen Bestehens der Stadt. In der Markthalle beginnt 1986 der Umbau. Er dauert ein Jahr.

1988 beginnen die archäologischen Grabungen auf dem Rathaus- und dem Münsterkirchplatz. Das Grabungsteam des Landschaftsverbandes Westfalen unter Leitung des jungen Archäologen Mathias Wemhoff entdecken bis 1990 mit großer Beteiligung und Unterstützung Herforder Bürger ungeahnte Mauerreste und bergen unzählige wertvollste Funde, die sie während des Stadtjubiläums im Rathaus zeigen können. Forschungsergebnisse zur frühen Stadt- und Stiftsgeschichte werden bestätigt, aber auch teilweise völlig neu interpretiert. Mitten über den Rathausplatz findet sich ein Industriekanal zwischen Bowerre und Aa sowie Reste der ersten Wasserturbine in Preußen. Die Funde werden auf Tafeln am Rathaus und Münsterkirchplatz erläutert.

Vom 19. bis 26. Mai 1987 besucht eine Gruppe 24 ehemaliger Herforder jüdischen Glaubens ihre Heimatstadt – viele von ihnen zum ersten Mal seit der Vertreibung durch die Nationalsozialisten. Mit privatem Engagement war es gelungen die Überlebenden ausfindig zu machen. Die Stadt bezahlte Reise und Aufenthalt und empfing die Gruppe im Rathaus. 1988 wurde die Ausstellung „700 Jahre jüdische Geschichte in Herford“ gezeigt. Sie wurde zum Ausgangspunkt für viele weitere Aktivitäten. Während des Stadtjubiläums 1989 empfing die Stadt erneut 43 ehemalige Mitbürger jüdischen Glaubens.

In der Markthalle wurde am 18. September 1987 die Städterpartnerschaft mit Friedericia (Dänemark) besiegelt. 1989 wurde aus dem Stadt- und Kreisarchiv das Kommunalarchiv gegründet. Seinen Sitz hat es im ehemaligen Polizeigebäude, Elverdisser Straße 12. Dorthin wurden bereits 1987 die städtischen Archivalien verbracht.

Das Jahr 1989 stand ganz im Zeichen des Stadtjubiläums mit Ausstellungen, einer Jubiläumsfestwoche, einem Umzug und mittelalterlichen Markt, dem 6. Westfälischen Hansetag, einem Jubiläumfestkonzert, der Vision, einem Bahnhofs- und dem Hoeker-Fest sowie Partnerschaftswoche und Geschichtsfest. Viele Veranstaltungen konzentrierten sich rund um das Rathaus.

Die 1990er Jahre – Verwaltungsreformen / Elektronisierung

Prägende Themen der 1990er Jahre sind die neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten und die Verbesserung der Technik durch flächendeckenden Einsatz von Fotokopiergeräte und PCs. In der Kämmerei wird 1990 eine automatisierte Haushaltsüberwachung eingeführt. Das Rathaus erhält eine neue Fernsprechanlage. Die Anschaffung einer Zusammentragemaschine erleichtert die Erstellung von Vorlagen für die Verwaltung. 1991 kommt eine neue Falz- und Kuvertiermaschine dazu. Ab 1992 gibt es vermehrt EDV-Kurs, 1994 Fortbildungen für das Textverarbeitungsprogramm Winword. Themen in der Verwaltung sind die Nutzung des Sozialraums und zunehmende Diebstähle in Verwaltungsgebäuden.

Immer stärker kommen auch Umweltthemen in der Verwaltung an, was sich in der Einführung getrennter Abfallsammlung, der Beschaffung umweltschonender Reinigungsmittel, Umweltverträglichkeitsprüfungen für alle raumbedeutsamen Planungen niederschlägt. Ab 1998 gibt es eine Biomüllsammlung. Andererseits wird 1990 ein Getränke- und Zigarettenautomat im Rathaus aufgestellt.

1990 beträgt der Personalbestand der Stadtverwaltung 196 Beamte, 290 Vollzeit- und 85 Teilzeit-Angestellte sowie 220 Vollzeit- und 219 Teilzeitarbeiter. Schwerbehinderten werden bevorzugt behandelt. 1991 gibt es erstmals einen Frauenförderplan, geschlechterneutrale Formulierungen werden eingeführt.

Zunächst gibt es keine Veränderungen in der Verwaltungsleitung. Einige Ämter verlassen das Rathaus. 1990 wird das Theater-, Verkehrs- und Werbeamt umstrukturiert: Theater und offene Kulturarbeit werden in das Schulverwaltungs- und Kulturamt verlagert, die übrigen Aufgaben in das Veranstaltungs- und Werbeamt beim Hauptamt. Die öffentlichen Bereiche wie Theaterkasse und Stadtinformation bekommen ihren Sitz in der Hämelinger Str. 4. 1992 zieht auch das Jugendamt aus dem Rathaus in das ehemalige Schwesternwohnheim Auf der Freiheit 23.

Nach dem Umbau ist die Markthalle zur einer Mehrzweckhalle geworden, 1990 werden insgesamt 39 Veranstaltungen mit ca. 35.000 Besuchern gezählt Im gleichen Jahr findet das erste Rathauskonzert auf dem Rathausplatz statt. Überlegt wird im Mai 1990 die Einrichtung eines Biergartens auf dem Rathausplatz/Münsterkirchplatz. Ab 1991 wird im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms der Platzbereich überarbeitet und seit Ende Juni 1991 sind Umgestaltungsmaßnahmen am Münsterkirchplatz Nord (Abteigarten) umgesetzt, dort werden seitdem die Ergebnisse der archäologischen Grabungen präsentiert. Am 27. Januar 1999 bringt das Kuratorium Erinnern Forschen Gedenken an der Kleinen Markthalle eine Gedenktafel an die Deportationen von Juden und die Verfolgung anderer Minderheiten an.

Am 21. April wird 1990 eine Städteunion mit Quedlinburg zusammen mit Celle, Hameln und Hannoversch Münden gegründet. Nach der Öffnung der Grenzen im Osten und der Entwicklungen im Balkan ist die Stadt stark mit der Aussiedler- und Asylfrage beschäftigt, u. a. ein Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft am 28. September 1994 verstärkt die Sorgen.

Ab 1994 beginnt eine größere Umstrukturierung in der Verwaltung, die sich auch auf die Nutzung des Rathauses auswirkt. In Nordrhein-Westfalen wird das Amt des Ober- und Stadtdirektors zwischen 1994 und 1999 mit Ablauf der Amtszeit des jeweiligen Amtsinhabers abgeschafft und im Anschluss mit dem des Ober bzw. Bürgermeisters vereinigt. Mit der Kommunalwahl am 16. Oktober 1994 wird der bisherige Bürgermeister Dr. Gerd Klippstein hauptamtlicher Bürgermeister und damit auch Leiter der Verwaltung. Ende 1999 wird er bei der nächsten Kommunalwahl durch Thomas Gabriel (CDU) abgelöst.

Eine der ersten Maßnahmen 1994 ist der Ausbau des Bürgermeisterbüros. Es soll neben dem schon vorhandenen Vorzimmer im jetzigen Hansezimmer untergebracht werden, das ehemalige Zimmer des Stadtdirektors soll als Besprechungsraum genutzt werden, der Umzug erfolgt am 25. November 1994. Ab 1995 wird eine Verwaltungsreform mit der Bildung von „Fachbereichen“ anstelle der früheren Dezernate eingeführt. Die Fachbereiche heißen jetzt 1 Zentrale Dienste, 2 Schule, Kultur, Sport, 3 Soziales, 4 Stadtplanung, Umwelt, Service, 5 Kommunales Bauen, 6 Finanzen und 7 Rechte, Ordnung, Versicherungen. In der Verwaltung werden Aufgabenkritik und Jahresgespräche eingeführt, und ein Reformprozess durchgeführt. Die Haushaltskonsolidierung ist ein großes Thema.

Die Stadtverwaltung schreibt sich zudem eine höhere Bürgerfreundlichkeit auf die Fahnen. So wird 1997 die Verlagerung des Einwohnermeldeamtes gefeiert: „Mehr Bürgerfreundlichkeit? Na klar! Das alte Einwohnermeldeamt gehört zu den Akten. Wenn schon, dann richtig. Unter diesem Motto wurde im neuen Verwaltungsgebäude auf der Freiheit 32/Steinstr. 6 das neue Einwohnermeldeamt eingerichtet. … Keine harten Bänke mehr, kein Warten auf dunklen Fluren. Im Prinzip warten sie direkt im Großraumbüro und haben sofort im Blick, wann der nächste Arbeitsplatz frei ist.“

1997/98 findet eine Umgestaltung des Parkplatzes am Rathaus statt und der Keller wird von Fahrrädern entrümpelt. Das Jahrzehnt endet mit der Diskussion um Computerprobleme beim Jahreswechsel 1999 / 2000, die aber nicht eintreten.