100 Jahre Rathaus - Die 1960er Jahre und 1970er Jahre

Kontinuität und Ausbau der Verwaltung bis zum Verlust der Kreisfreiheit

In den 1960er Jahren konsolidierten sich Politik und Verwaltung in Herford. Dieses Jahrzehnt endete aber mit dem Verlust der Kreisfreiheit der Stadt, die wieder in den Landkreis Herford eingegliedert wurde. Am 7. April 1961 wurde Dr. Kurt Schober (CDU) erstmals zum Oberbürgermeister gewählt, seine Stellvertreter waren Karl Prüßner (SPD) und Hermann Busse (FDP). Schon am 29. März 1963 wurde Schober wiedergewählt, neue Stellvertreter waren ab 31. Mai 1963 Heinrich Stork (SPD) und Werner Kremeyer (FDP). In der Verwaltungsspitze war Fritz Meister noch bis 31. Dezember 1961 Oberstadtdirektor. Auf ihn folgte ab dem 15. Februar 1962 Dr. Walter Abel. Kämmerer war Dr. Georg Göckler, gefolgt von Dr. Gerd Oberscheven. Stadtbaudirektor war Dr. Ing Walter Fiereck, Stadtrechtsart Sigismund Koch.

In der Stadtverwaltung gab es zahlreiche Veränderungen, nicht nur räumlich. Das Amt für Verteidigungslasten wurde zum 1. April 1962 aufgelöst und auf den Kreis übertragen. Am 14. Mai 1962 öffnete das Theater-, Verkehrs- und Werbeamt. Bis dahin war das Verkehrsbüro für das Theater zuständig. Das bisher selbständige Wohnungsamt wurde 1959 der Kämmerei angeschlossen und zum 1. Januar 1963 aufgehoben. Damit endete die seit 1946 bestehende Wohnungszwangsverwaltung. Die Restaufgaben landeten beim Amt für Bauförderung in der Kämmerei. Das bisherige Fürsorgeamt wurde ab dem 30. Juni 1961 zum Sozialamt.

Nach dem Auszug des Obersten Rückerstattungsgerichts wechselten das Vermessungs- und Katasteramt sowie das Rechtsamt in den Südflügel des 2. Obergeschosses. Nach dem Auszug der Kripo aus dem Erdgeschoss des Südflügels kam das gesamte Ordnungsamt dorthin. Das bisher im Haus Münsterkirchplatz 8 (nun abgerissen) untergebrachte Versicherungsamt zog wieder ins Rathaus, in das ehemalige Ordnungsamt. Nach der Verlegung der Polizeiwache an die Elverdisser Straße kamen im Keller des Südflügels das Wohnungsamt und die Hausdruckerei unter. Das alles reichte nicht: Die Stadt mietete drei Stockwerke im Bürogebäude der Schokoladenfabrik Nolting, Hansastraße 33, an. Dorthin zogen das Sozialamt (bisher Schulwall 2), das Jugendamt (bisher Kurfürstenstraße 16) und das Ausgleichsamt (bisher Rathaus).

Ende 1964 stellte die Verwaltung trotzdem fest, dass „alle bisherigen Auflockerungsmaßnahmen noch nicht den gewünschten Erfolg gehabt haben, da die Anzahl funktionsgerechter Räume kaum für jetzt, geschweige denn für die Zukunft ausreicht. Es erscheint daher unumgänglich notwendig, dass sich die Stadt in den nächsten Jahren ernsthaft mit dem Neubau eines zusätzlichen Verwaltungsgebäudes mit ca. 80 Arbeitsplätzen befasst (Rathauserweiterungsbau).“ Zunächst aber geschah nichts.

Ein wichtiges Ereignis war die Rückkehr des historischen Stadtarchivs. Seit 1900 war es Teil des Staatsarchivs Münster. Nach längeren Verhandlungen gelang es, die Bestände zurückzuerhalten. Im Mai 1964 kamen das Herforder Rechtsbuch aus dem 14. Jahrhundert, mehr als 1.000 Urkunden und etwa 1.400 ältere Akten zurück nach Herford. Sie wurden im ehemaligen Polizeigefängnis (Zellentrakt) des Rathauses untergebracht. Nach und nach wurden dort auch die im Rathaus gefundenen alten Akten eingelagert, ebenso das Verwaltungsschriftgut. Der Museumsleiter Dr. Rainer Pape verwaltete das Archiv von seinem Hauptsitz im Museum am Deichtorwall aus.

Am 22. Februar 1965 sendete das WDR-Fernsehen in seiner Reihe „Expedition nach NRW“ ein „buntes Kaleidoskop“ über Herford, „der Stadt Widukinds inmitten des Ravensberger Landes“. In Interviews erläutern Oberbürgermeister Schober und Oberstadtdirektor Abel zu Bildern von den ersten Bauarbeiten an der Berliner Straße den geplanten Wandel der Stadt: „Die Verkehrsprobleme werden wohl nur mit der Spitzhacke zu lösen sein“. Die neue Achse werde die Altstadt vom Verkehr freihalten. Portraitiert wird eine historische Stadt im Wandel. Der Film wurde am 24. September 1965 auch im Anschluss an eine Ratssitzung und bei anderen Anlässen gezeigt. Dann war er bis 1999 verschollen.

Im Oktober 1964 legte die Wibera (Wirtschaftsberatungs AG) ein Gutachten zur Organisation und Personalbesetzung vor. Darin wird die Stadt gelobt: „Berücksichtigt man die nicht besetzbar gewesenen Stellen, so hat die Verwaltung in den letzten Jahren sogar teilweise mit bedenklich wenig Personal auskommen müssen.“ Die Zahl der Beamten und Angestellten wuchs in den 1960ern von 400 auf 447, die der Arbeiter ging von 245 auf 225 zurück.

Die weitere Rationalisierung der Verwaltung geschah durch moderne Büro-Technik. Insbesondere kaufte die Stadt Buchungsmaschinen, Rechenautomaten, Gebührenstempler, Addiermaschinen und elektrische Schreibmaschinen. Auch ein Fernschreiber wurde nun eingesetzt. Der letzte Ausbau der Adrema von 1957 erforderte keine Neuerungen. Aufgebaut wurde auch eine Hausdruckerei.

Auch baulich geschah im Rathaus einiges: Die Räume des Straßenverkehrsamtes wurden durch Zwischenwände „den heutigen Erfordernissen angepasst“. Alle Treppenhäuser und Flure bekamen neue Farben. Im Heizungskeller wurde eine Bedienungsbühne eingebaut, und in den Dachgeschoßräumen der Ost- und Westflügel sorgten Velux-Fenster für eine „bessere Belichtung“. In der Markthalle gab es jetzt eine Kantine. In der gleichen Zeit veränderte sich das Stadtbild enorm: Die Tangentialstraße durch die Innenstadt (Berliner Straße) bekam langsam aber sicher ihr Gesicht. Hinter dem Rathaus zur Straße Auf der Freiheit begannen die Vorbereitungen für den Ausbau.

Mit dieser Ausstattung gingen Politik und Verwaltung in die Verhandlungen zur gebietlichen Neugliederung. Es begann ein Kampf um Zentralitätserhalt und Eingemeindungen. Folgen für die Stadtverwaltung waren auch die Abgabe von Ämtern, wie das Straßenverkehrsamt. Oberstadtdirektor Abel berechnete 1966 die Kosten der Stadt für die Rückgliederung in den Kreis mit 2,7 Millionen Mark. 1967 prognostizierte die Kämmerei, dass nach Aufrechnung gegen die Verwaltungsverlagerungen zum Kreis Verluste von zwei Millionen Mark drohen. Ursachen waren die Kreisumlage und geringere Landeszuschüsse. Oberbürgermeister Dr. Kurt Schober wollte die „Einkreisung nur bei größeren Eingemeindungen“ zulassen. Der Rat bestätigt 1967, das gesamte frühere Amt Herford-Hiddenhausen haben zu wollen. Dagegen gab es starken Widerstand in einzelnen Gemeinden. Schließlich gab Herford sich mit einer „kleineren Lösung“ zufrieden.

Das „Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Herford und der Stadt Herford“ vom 12. Dezember 1968 schuf diese Fakten: Die Stadt vergrößerte ihr Gebiet von 25 auf 79 Quadratkilometer und die Einwohnerzahl von stieg von 55.271 auf 67.709. Nun endlich konnte das Herforder Gewerbe expandieren, was zunächst in Herringhausen geschah. Schober verlor den Oberbürgermeistertitel und wurde am 14. April 1969 „nur noch“ zum Bürgermeister gewählt, Stellvertreter wurden Werner Kremeyer (FDP) und Friedrich Stork (CDU). Im neuen Stadtrat saßen nun 30 Ratsherren aus der Stadt und 14 aus dem eingemeindeten Orten.

 

Die 1970er Jahre – Modernisierung, Verlagerung und Bürgerfreundlichkeit

1972 legte die Stadtverwaltung einen neuen Flächennutzungsplan vor. Stadtentwicklung wird immer mehr zur Hauptsache. Schon 1971 hatte die „Neue Heimat“ zusammen mit dem Stadtplanungsamt, einem Ingenieursbüro sowie Garten- und Landschaftsplanern ein Strukturgutachten nebst Stadtentwicklungsplanung unter dem Titel „Herford 1950 – 1990“ vorgelegt. Herford sollte sich auch auf eine Bevölkerungsentwicklung bis zu 100.000 Bürgerinnen und Bürger vorbereiten. Dieses Ziel erforderte einen weiteren Ausbau der Verwaltung. 1974 begann der Umbau des Klinkergebäudes des ehemaligen Stadt- und Kreiskrankenhauses zum Technischen Rathaus. Vom 26. Mai bis 21. Juli 1975 dauerten die Umzüge von Bauverwaltungsamt, Planungsamt, Vermessungsamt, Bauordnungsamt, Hoch- und Tiefbauamt sowie Garten- und Friedhofsamt aus dem Rathaus dorthin. Im nunmehr „befreiten“ Rathaus begannen zahlreiche Veränderungen.

Ein neues Amt für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung entstand. In den Räume 93 bis 97 im 2. Obergeschoss wurde ab 20. Oktober 1975 ein zentraler Schreibdienst mit zwölf Schreibplätzen, organisatorisch dem Hauptamt angegliedert, eingerichtet. Im Mai 1977 folgte auch im Technischen Rathaus ein separater Schreibdienst mit vier Arbeitsplätzen. Die Technisierung schritt fort: Angeschafft wurden sechs neue elektronische Tischrechengeräte, 30 neue Diktiergeräte und ab 15. September 1975 eine nagelneue Siemens-Fernsprechanlage. Endlich ist „ohne Einschaltung der Fernsprechzentrale“ eine „direkte Verbindung mit dem Anrufenden“ möglich, und die Verwaltungsmitarbeiter haben einen „Selbstwähldienst“.

Ins Rathaus zurück zieht das Sozialalmt aus dem Hause Hansastraße 33, ebenso das Jugend- und Sportamt mit der Versicherungsabteilung. Dessen alte Adresse war Kurfürstenstraße 5-7. „Im Rahmen der Bemühungen der Verwaltung um eine Verbesserung der Kontakte zwischen Bürgerschaft und Verwaltung wurde im Haupteingang des Rathauses ein Informations- und Auskunftsbüro eröffnet“, heißt es im Verwaltungsbericht. Der Bürgerfreundlichkeit diente auch die Neugestaltung des Trauzimmers und Einwohnermeldeamtes. Alle Flure erhielten „übersichtliche Wegweisertafeln, neue Sitzgelegenheiten und Blumenschmuck“. Auch werden in allen Verwaltungsgebäuden öffentliche Münzfernsprecher aufgestellt.

Politisch herrscht eher Kontinuität: Am 23. Mai 1975 bestätigt der Rat Bürgermeister Dr. Kurt Schober, als Stellvertreter fungieren Werner Kremeyer (FDP) und Alfred Dahm (CDU). In der Verwaltung dagegen häufen sich die Wechsel: Dr. Walter Abel geht am 14. Februar 1974 als Stadtdirektor in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der bisherige Kämmerer Dr. Gerd Oberscheven. Neuer Stadtkämmerer ist ab 30. November 1973 Reiner Heekeren. Ein neues Rechts- und Ordnungsdezernat wird unter Norvin Wegner eingerichtet. In der zweiten Hälfte der 1970er folgen Dr. Max Willebrand als neuer Schul-, Kultur- und Sozialdezernent, Jürgen Kulow als Rechts- und Ordnungsdezernent, Hans Wilhelm Kähler als Baudezernent und Henning Kreibohm als Kämmerer. In Zeiten der Verwaltungsexpansion besinnt man sich wieder auf das Sparen: Am 13. Dezember 1974 gibt die Verwaltung die Bildung einer Sparkommission bekannt, und 1979 wird eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Möglichkeiten energiesparender Maßnahmen untersuchen soll. So wirkt sich auch die Energiekrise und wachsende Kritik an der Kernkraft im Rathaus aus.

Anlässlich der Planung des Einbaus eines Fahrstuhls in Rathaus beginnt 1978 eine Diskussion um die Verlagerung einzelner Dienststellen in das Schwesternwohnhaus am früheren Klinikum, Auf der Freiheit 23. Die Kosten für dessen Renovierung werden mit 1,056 Millionen Mark kalkuliert, begonnen wird aber erst um 1980. Im Rathaus selbst wird die Hausmeisterwohnung aus dem Keller in das Dachgeschoss des Westflügels verlagert. Auch der Personalrat bekommt neue Räume im vorderen Teil des Westflügels. In der ehemaligen Hausmeisterwohnung im Keller entstehen Fraktionsräume und neben der Druckerei auch ein Aufenthaltsraum für den Hausmeister. 1979 wird die Heizzentrale des Rathauses von Öl auf Gas umgestellt, die Schornstein-Anlage erneuert und der Einbau von Doppelfenstern vorgenommen. Es erfolgt der Einbau des Personenaufzugs und erstmals einer Behindertentoilette.

Am 30. September 1979 finden wieder Wahlen statt: Die CDU erhält fast 50 Prozent der Stimmen. Dr. Schober bleibt ab 19. Oktober 1979 Bürgermeister, Stellvertreter wird wieder Werner Kremeyer (FDP), neu dazu kommt Dr. Gerhard Klippstein (SPD).