100 Jahre Rathaus - Die 1920er Jahre

Nach dem Krieg dehnte sich die Verwaltung weiter aus. Neben den zunächst kriegsbedingten neuen Ämtern wuchsen vor allem die Kämmereikasse und das Wohlfahrtsamt. Hier kamen ein Stadtarzt und mehrere, Fürsorgerinnen, ein Jugendamt, ein Hort, ein Jugendheim, die Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenversorgung und die Klein- und Sozialrentnerfürsorge dazu. Neu eingerichtet wurden auch ein statistisches Amt und ein Arbeitsamt. Die Zahl der „Maschinenschreiberinnen“ wurde von fünf auf neun erhöht. Die Stadt stellte einen Rathauswart und einen Rathausheizer, zwei Fernsprecherinnen, einen Desinfektor ein und erhöhte die Zahl der Boten auf sechs. Die noch allein städtische Sparkasse erhöhte ihr Personal von 3 auf 17 und auch die städtischen Betriebe vergrößerten sich stark. Ein neues städtisches Orchester mit 28 Musikern und einem Musikdirektor kamen dazu. Auch die städtische Polizei wurde wegen „des in ungeahnter Weise gesteigerten Verkehrs“ von 26 auf 34 Beamte vergrößert. Insgesamt hatte die Stadtverwaltung Mitte der 1920er Jahre etwa 240 Bedienstete, von denen die Mehrzahl im Rathaus arbeitete.

Am 4. April 1920 konnte endlich der Ratskeller im Rathaus eröffnet werden. Er wurde immer wieder neu verpachtet.

Einschneidend war die Ermordung des amtierenden Oberbürgermeisters Wilhelm Busse am 29. Juni 1921. Er erlag einem – nicht politisch, sondern räuberisch motivierten - Anschlag, der ihn zusammen mit dem Bürgermeister a.D. Werner bei einem Spaziergang bei Heidelberg traf. Busse wurde am 16. Juli 1921 im unteren Flur des Rathauses aufgebahrt und mit einer größeren Trauerkundgebung gewürdigt. Am 28. Oktober 1921 wurde Dietrich Osmer zum neuen OB gewählt, Ernst Althaus kam am 9. Dezember als neuer Stellvertreter dazu.

Auf dem Rathausplatz findet am 11. August 1922 die erste Verfassungsfeier für die Weimarer Republik statt, am 19. Januar 1923 aber auch eine Protestkundgebung gegen den „feindlichen Einbruch ins Ruhrgebiet“. Trotz der Nöte der Inflationszeit feiert die Stadt Herford vom 22. Juni bis 1. Juli mit Konzerten und Veranstaltungen ihr 1.100-jähriges Bestehen.

Das zunächst städtische Arbeitsamt wurde 1927 eine selbständige Behörde des Reiches. Am 16. November 1922 zog es in das Haus Hermannstraße 22.
Das Lebensmittelamt, das im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung verlor, wurde erst verkleinert und im Oktober 1923 gänzlich aufgelöst. Dessen Amtsräume wurden vom 25. März 1922 bis 18. September 1923 an das Finanzamt verpachtet. Bis 1928 war im Rathaus dazu noch das am 1. Juli 1927 mit dem Amtsgericht verbundene staatliche Arbeitsgericht im 2. Obergeschoss untergebracht. Über sämtliche Räume des östlichen Flügels im 2. Obergeschoss wurde am 31. Juli/14. August 1928 ein Mietvertrag zur Unterbringung staatlicher Behörden abgeschlossen. Für eine Miete von 6.000 Reichsmark jährlich kamen dort die staatliche Kreiskasse sowie die Katasterämter I und II unter. Für die Katasterämter wurde im Kellergeschoss ein Archiv-Raum und in der Terrasse vor dem Rathaus ein Raum für Messgeräte bereitgestellt. Nach Aufhebung der Kreiskasse bezog das Gewerbeaufsichtsamt am 1. April 1931 die Räume.

Die größte technische Neuerung in den 1920er Jahren war eine „neuzeitlichen Fernsprechanlage“. Die alte von 1916 erfüllte nur noch mangelhaft ihren Zweck, „da sie zum Teil aus Kriegsmaterial hergestellt war“. Mit Beschluss vom 2. Juni sollte die neue Anlage durch die Firma Siemens & Halske (Berlin) zum Preis von 35.000 Reichsmark montiert werden. Im April 1928 wurde sie mit 10 Amtsleitungen und 135 Anschlüssen, erweiterbar auf 200, in Betrieb genommen. Nun war nur noch eine Fernsprechgehilfin nötig, der zweiten Kraft wurde eine Botenstelle übertragen. Moderne Zeiten in der Stadtverwaltung.

Nachdem Oberbürgermeister Osmer am 1. April 1928 „aus Gesundheitsrücksichten“ zurücktrat, gab es Probleme bei der Neubesetzung. Wegen Formfehlern wurde der schon 1928 zum neuen Ob gewählte Ernst Althaus erst am 25. April 1930 bestätigt. In sein Amt wurde er erst am 6. Juni 1930 eingeführt. Bis 1933 gab es keinen Zweiten Bürgermeister mehr.

Weitere Neuerungen in der städtischen Verwaltung waren die Gründung des Verkehrsvereins (am 5. Oktober 1928), die Einrichtung eines Verkehrsbüros (am 13. März 1930) und die Einweihung des neuen Stadt- und Kreiskrankenhauses (am 22. Mai 1929). Heute befindet sich dort das Technische Rathaus.