100 Jahre Rathaus - Der Neubau

 

Abbruch und Tieferlegung des Münsterkirchplatzes

Im Laufe des Winters 1913/14 brachen Mitarbeiter des städtischen Fuhrparks die Gebäude ab, die auf dem Bauplatz standen. Die Baustelle wurde bis zum geplanten Baubeginn, im April 1914, eingerichtet. Beim Abriss wurden eine Grundsteinlegungsurkunde und ein Bauteil aus der barocken Abtei-Anlage gefunden.

Viel länger als geplant dauerte die notwendige Herstellung eines gleichen Straßenniveaus vom Rathausplatz und Münsterkirchplatz. Zunächst ermittelte die Stadt Ende 1913 Kosten von etwa 25.000 Mark für Entfernung des bisherigen Pflasters, der Bürgersteige und Begrenzungen, Aushub und Abfuhr des Boden, Neupflasterung, sowie Veränderungen an Rasenflächen und Geländern, Umpflanzen von Bäumen, Entwässerungsanlagen, Regenrinnen und Regenwasserschächten. Die bisher ebenerdig zu betretende Münsterkirche sollte nun mit Freitreppen zu den verschiedenen Eingängen versehen werden. Einig war man sich, dass die Münsterkirche durch die Tieferlegung des Platzes eine bessere Betonung erhält und die Plätze insgesamt eine besondere Schönheit bekommen würden.

Da der Staat Eigentümer der Kirche war, begannen Verhandlungen zwischen der Stadt, der Kirchengemeinde und der königlichen Regierung in Minden. Wegen des Denkmalwertes wurde auch Provinzialkonservator Ludorff einbezogen. Schließlich wurde sogar der preußische Kulturminister mit der Angelegenheit befasst. In den folgenden Jahren fanden zahlreiche Besichtigungen statt. Probleme gab es vor allem mit der Übertragung von Grundstücken, den weiteren Gebäuden im Umfeld und der Kanalisation. Da der Münsterkirchplatz früher Friedhof war, musste auch geprüft werden, wie tief ausgehoben werden könne, ohne die Gräber zu beschädigen, die in mehreren Schichten übereinander liegen. Die später gesammelten Knochenreste sollten „an geeigneter Stelle begraben“ werden.

Die Stadt drängte. Aber weder, als im September 1914 der Rathausbau schon weit fortgeschritten war, noch im Juli 1916, als der Bau schon fast abgeschlossen war, hatte man mit der Tieferlegung begonnen. Die Kosten stiegen auf 67.000 Mark, von denen der Staat 18.000 Mark für den Schutz der Kirche gegen Feuchtigkeit übernehmen wollte. Erst im August 1916 begann die Firma Bernhard Breder aus Herford mit den Arbeiten. Die zogen sich bis Februar 1918 hin, begleitet von kritischen Leserbriefen. Die Kosten stiegen „infolge der Kriegstheuerung“ weiter, so dass der Staat noch 8.000 Mark nachbewilligen musste.

 

Die Auftragsvergabe

Mit den Arbeiten am neuen Rathaus wurden hauptsächlich Herforder Firmen nach Ausschreibungen beauftragt. Die ersten größeren Aufträge erhielten am 30. März 1914:

  • die Firma Gebr. Wittland (Erd- und Maurerarbeiten) und
  • das Baugeschäft Althoff und Lakemeier (Innenputzarbeiten).
  • Die Steinhauerarbeiten am Rathaus vergab die Stadt an Gottlieb Meyer und Johann Lankhof,
  • die Betonarbeiten an Heinrich Lampart,
  • die Schmiedearbeiten an Gottlieb Nolting,
  • die Zimmerarbeiten an die Gebr. Wittland,
  • die Eisenbetonarbeiten an Wilhelm Scheidt,
  • die Dachdeckerarbeiten an B. Becker und
  • die Tischlerarbeiten an Ernst Quest.
  • Das Installationsgeschäft Karl Schierbaum lieferte die Heizungsanlage,
  • der Tresor kam von Schlossermeister Oskar Hentschel.

Für die Markthalle erledigten_

  • das Baugeschäft Gresselmeyer und Essmann die Erd- und Maurerarbeiten,
  • die Beton- und Eisenbeton-Baugesellschaft aus Lünen die Eisenbetonarbeiten,
  • Gottlieb Meyer die Steinhauerarbeiten,
  • der Schieferdeckermeister Heinrich Mühlenforth die Dachdeckerarbeiten und Ernst Quest die Tischlerarbeiten.
  • Otto Ganz und Carl Laux waren als Klempner tätig,
  • Heinrich Stute und Wilhelm Fricke als Glaser,
  • Behrenfeld & Söhne fertigten die Wandverblendungen,
  • Heinrich Lampart den Fußbodenbelag,
  • die Eisenwarenhandlung Gebr. Landmann die Beschläge.
  • Und für die Maler und Anstreicherarbeiten verpflichtete die Stadt Hermann Knopf und Hans Wölke aus Herford.

Für Rathaus und Markthallen wurden zudem zahlreiche weitere Firmen und Lieferanten aus Herford und ganz Deutschland beschäftigt. Zu jeder Vergabe sind im Stadtarchiv umfangreiche Akten erhalten. Darin enthalten sind Angebote und Prospektmaterial, die den damaligen Stand der Technik und Gestaltung illustrieren. Auch zu der Anlage der Plätze gibt es umfangreiches Material. So bekam - nachdem der Mindener Stadtgartendirektor diese Baumart besonders empfohlen hatte - die Baumschule L. Späth in Berlin, Baumschulenweg, den Auftrag, die 18 Platanen für den Rathausplatz zu liefern.

Fertigstellung und Dimensionen

Die Innenputzarbeiten und sonstigen Ausbauten zogen sie bis zum Herbst 1916 hin. Die Fassaden erhielten einen Muschelkalkputz. Für die Verkleidung der Dachreiter wurde Kupfer mit Zinkblech verwendet, das beschlagnahmt worden war. Die Büroräume und Flure wurden verputzt, während die Repräsentationsräume und der Ratskeller mit Holzvertäfelungen veredelt wurden. Die Treppenstufen bestehen aus Granit, die Hallen wurden mit Platten ausgelegt, die Büros und Flure mit Linoleum. Es gab eine Warmwasser-Umlaufheizung, elektrische Beleuchtung und eine Zentraltelefonanlage.

Die Maße des fertigen Baues von der Abtei- bis zur Münsterkirchstraße betragen 87 Meter, die der beiden Flügel jeweils 48 Meter. Die bebaute Fläche ist 2.000 Quadratmeter groß. Die Höhe in der Mitte misst 30 Meter, die Höhe der Seiten und Flügel 23 Meter, und bis zur Spitze des Dachreiters sind es 40 Meter. Der Umfang des Gebäudes beträgt insgesamt 430 Meter. Verbaut wurden zwei Millionen Ziegelsteine, 56.000 Quadratmeter Eisenbetondecken, 1.600 laufende Meter Hölzer für das Dach sowie 162.000 Dachziegel.

Die Markthalle hat eine Länge von 72 Metern und eine größte Tiefe von 28 Metern. Die bebaute Fläche beträgt 1.550 Quadratmeter. Die Höhe zum First misst 11, bis zur Turmspitze sind es 20 Meter. Der Umfang der Markthalle beträgt 240 Meter. Der Rathausplatz ist 52 Meter breit und 100 Meter lang. Einschließlich der Rathaus-Terrasse ist die Fläche 35.000 Quadratmeter groß.

 

Innenausbau und Ausstattung

Der Architekt Paul Kanold lieferte auch nahezu alle Pläne und Zeichnungen für den Innenausbau des Rathauses. Nach seinen Plänen beauftragen die Rathausbaukommission und das Rathausbaubüro unter Leitung des Architekten Fritz Geist die örtlichen und überregionalen Handwerker. Vor allem die repräsentativen Säle, Flure und die Räume der höheren Beamten wurden mit Steinmetz- und Stuckarbeiten sowie Holzverkleidungen ausgeschmückt.

Mit einigen der Tischlerarbeiten und der Herstellung der Möbel für die repräsentativen Säle wurde die Firma August Stüssel beauftragt. Sie baute auch den gesamten Stadtverordnetensaal (heute Ratssaal) aus. Auch hier hatte aber Paul Kanold die Pläne geliefert, bis hin zu einigen bedeutungsschweren Holzschnitzereien. So sollten im Ratssaal ein Fuchs die Schlauheit und eine Schnecke die Bedächtigkeit der Stadtverordneten versinnbildlichen. Für weitere Ausstattungsstücke hatte die Stadt zu Spenden und Stiftungen aufgefordert. Viele Firmen, Industrielle, aber auch einfache Herforder Bürger stifteten trotz der kriegsbedingten Notzeiten Geld, Gemälde, Möbel und Raumausstattungen aber auch kleinere Details, wie eine silberne Wahlurne und Schreibzeug für die Büros. Vieles davon ist heute leider nicht mehr im Rathaus zu finden.

Raumverteilung und Nutzung

Das Rathaus sollte nach Plan genutzt werden:

  • Untergeschoß, linker Flügel: Polizeiwache, Schlafraum für die Wache, Telefonzentrale, Hausmeisterwohnung mit fünf Räumen, je ein Raum für obdachlose Männer und Frauen, Eichamt, acht Haftzellen, zwei Zellen für Geisteskranke.
  • Untergeschoß, Mittelbau: Zentralheizung, Fahrradraum und Raum für Vermessungsgeräte.
  • Untergeschoß, rechter Flügel: Ratsbier- und Ratsweinkeller, Ratsstübchen, Küche mit Vorratsraum, Wohnung des Wirts mit sechs Räumen, Toiletten, Vorrats-, Bier- und Weinkeller.
  • Erdgeschoß, linker Flügel: Büros für Polizei-Inspektor, Kommissar, Kriminalpolizei, Militär- und Meldeamt, Büro für Wertzuwachssteuer, Trauzimmer, Standesamt.
  • Erdgeschoß, Mitte: Vorhalle, Boten- und Wartezimmer und zentrales Treppenhaus.
  • Erdgeschoß, rechter Flügel: Armenabteilung, Versicherungsabteilung, Kämmerei-Kasse und Tresor.
  • 1. Oberschoss, linker Flügel: Polizeiverwaltung, Zimmer des Zweiten Bürgermeisters, Kommissionssitzungszimmer, Gewerbegericht, Polizeiarchiv, Kanzleien.
  • 1. Oberschoss, Mitte: Zentralverwaltung, Erster Bürgermeister und Erster Stadtsekretär, Vorzimmer.
  • 1. Oberschoss, rechter Flügel: Garderobe, Magistrats-Sitzungszimmer, Bibliothek, Steuerabteilung, Sitzungszimmer, Veranlagungskommission, Archive.
  • 2. Oberschoss, linker Flügel: Messamt, Baupolizei, Bauamtsverwaltung, Stadtbaumeister, Hochbau- und Tiefbauabteilung.
  • 2. Oberschoss, Mitte: Stadtverordnetensitzungssaal (= Ratssaal) mit 170 Quadratmetern Bodenfläche, zweigeschossig mit Galerie.
  • 2. Oberschoss, rechter Flügel: Volkslesehalle und Reserveräume.
  • Dachgeschoss: Reserveräume, Aktenräume, Lichtpausenraum und Dunkelkammer, besteigbarer Dachreiter mit Rundgang zur Aussicht.